Über mein Leben

Je älter ich werde, desto mehr beschäftigt mich die Rückschau auf meine Kindheit, meine Jugend. Nichts ist beglückender als die Erkenntnis, dass etwas, das damals galt, heute noch gilt. Es ist etwas über mich gekommen, es mag wohl eine Art Altersweisheit sein, und sie ist es, die das Damals wieder erhellt und zeigt, dass ich zwar unebene Wege, aber doch auf das rechte Ziel zugegangen bin. Und, das Kostbarste ist die Entdeckung, dass ich heute noch liebe, was ich damals geliebt habe. Mit dem, was ich damals geliebt habe, bin ich im klaren, nicht aber mit dem, das ich damals verabscheut habe. Heute hole ich manches, das ich damals verworfen habe, wieder hervor, betrachte es und stelle es vielleicht beiseite, um es später noch einmal zu betrachten und zu versuchen , ihm gerecht zu werden. Die Jugend hat es schwer, gerecht zu sein, aber wehe dem Alten, der es nicht wenigstens versucht.

Ich habe es versucht, aber ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, gerecht zu sein. In der Zeit, in der ich mir Gedanken über mich und die Welt, über meine Welt, zu machen begann, trat mir das Wort Spenglers entgegen: der Untergang des Abendlandes. Damals ist viel darüber geredet worden. Was für die einen ein Anzeichen des Unterganges war, bedeutete für die anderen den Beginn einer großen, neuen Zeit, das Entstehen einer noch nie da gewesenen Weltkultur, die alle früheren Kulturen überwölben sollte. Gerade aus dem Krieg kommend, bin ich in die neue Zeit hineingetappt, ich habe die Wechselwirkungen der Moderne erlebt und habe in ihr die Erkenntnis gesucht. Ich habe gesucht nach einer neuen Ordnung, nach einer Ordnung, die dem Menschen entspricht. Ich habe zauberhafte Gebilde gesehen, aber die Ordnung, nach der ich suchte, habe ich nicht gefunden. So habe ich mich endlich zurückgewandt, wo an der Schwelle der Zeitwende die großen Geister stehen, in deren Werk das Menschenbild noch einmal deutlich wird. Hier, bei Bach und Goethe, bei Mozart und Stifter, sehe ich das große Licht wieder, das einmal über dem Abendland geleuchtet hat. Ich finde den Glauben wieder, den Glauben daran, dass alles wieder in die ewige Weltordnung einpendeln wird. Das aber gilt letztlich auch für einen Rembrandt. Bleibt ein Bild stumm, dann verstehst du eben seine Sprache nicht – oder es hat dir nichts zu sagen.

Sei vorsichtig mit dem Urteil. Mit dem Verstand, mit dem Wissen, mit aller Gelehrsamkeit wird man ein Kunstwerk nicht allein begreifen. Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut

 

Ernst und Rosa von Dombrowski Stiftungsfonds, A-8010 Graz,
EMail: buero@dombrowski-stiftung.at, Impressum